Wenn man die Worte des Historikers K. Schulze liest, so erkennt man, dass es dem mittelalterlichen Stadtbürgertum vor allem darum ging, "die Beschränkungen, die es an der vollen Entfaltung der bürgerlichen Wirtschafts- und Sozialordnung hinderten, zu beseitigen". Ihm ging es aber nicht darum, "die allgemeine Freiheit, die Mit- und Selbstbestimmung im Sinne menschlicher Grundrechte" zu bilden oder zu sichern. In dieser Hinsicht besteht keine direkte Verbindung zwischenmittelalterlicher Stadt und moderner Gesellschaft. Außerdem wurde zunehmends das genossenschaftliche Prinzip der "Kommune" zurückgedrängt und unterdrückt.
Auf der anderen Seite wurde der politische Einfluss der Städte aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolges und ihrer Finanzkraft immer größer: Könige und Landesherren waren auf die Steuern und und finanzielle Unterstützung reicher Bürger angewiesen. Territorialherren und absolutistische Herrscher griffen immer häufiger auf Mitglieder des Bürgertums zurück. Diese wurden zur Verwaltung ihrer Staaten und als Ratgeber herangezogen. Grund dafür war z. B. die universitäre Bildung des Stadtbürgertums. Außerdem konnten die Herrscher somit den Einfluss von Geistlichen und Adel zurückdrängen. Ganze Städte und auch einzelne Bürger wurden zu Auftraggebern und Förderern von Kunst und Kultur. Damit wurden sie zu den größten Konkurrenten zu geistlichen und weltlichen Fürsten. In dieser Zeit entstand auch ein wirklicher Markt für weltliche Kunst, was es vorher in diesem Umfang oder gar nicht gab.
Das Selbstbewusstsein des gehobenen Bürgertums wuchs aufgrund des wirtschaftlichen Erfolges und Aufstieges im Dienst der Monarchen. Die bewusst bürgerliche Kultur und Lebensweise, die im Laufe der Neuzeit entstand, unterschied sich klar von der der Geistlichen und des Adels und hob sich immer mehr ab. Das Bürgertum der mittelalterlichen Stadt war das natürlich nicht mehr, aber die Grundlagen aus dem Mittelalter legten den Grundstein für die Bürgergesellschaft der Neuzeit. Die Zeiten des Humanismus und der Renaissance, der Aufklärung, der Französischen Revolution und der Industriellen Revolution trugen dazu bei, dass sich in Europa ein "bürgerliches Zeitalter" mit dem Bürgertum als der wichtigsten und bestimmenden kulturellen und politischen Kraft herausbildete.
Samstag, 24. April 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen